Falsche Beratung eines Anlegers beim Verkauf von Wertpapieren. Keine Berücksichtigung der hypothetischen Wiederveranlagung

Der Kläger erwarb über Vermittlung der Beklagten Immobilienaktien. Im Jahr 2007 wollte der Kläger die Aktien wieder verkaufen. Die Beklagte riet vom Verkauf ab. Diese Beratung war objektiv falsch (die Beklagte hatte Kenntnis von für die Kursentwicklung nachteiligen Umständen). Zudem bestand bei der Beklagten, die selbst einen hohen Eigenbestand an diesen Aktien hielt, ein Interessenkonflikt. Hätte die Beklagte den Kläger richtig beraten, dann hätte der Kläger seine Aktien sofort verkauft. Tatsächlich verkaufte der Kläger die Aktien im Jahr 2010 zu einem wesentlich schlechteren Kurs als dies 2007 möglich gewesen wäre.

Die Beklagte war der Ansicht, dass die hypothetische Entwicklung des Vermögens des Klägers bei einer Wiederveranlagung des Veräußerungserlöses 2007 berücksichtigt werden muss. Es sei festzustellen, welche Wertpapiere der Kläger im Falle der Wiederveranlagung den vereinbarten Anlagezielen entsprechend gekauft hätte. Deren Wertentwicklung wäre der Schadensberechnung zugrunde zu legen. Das würde zu einem niedrigeren Schadenersatz führen, wenn man die allgemeine Börsenentwicklung zwischen 2007 und 2010 zugrunde legt.

Der OGH ließ diese Argumentation nicht gelten. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Schaden durch Differenzrechnung zu ermitteln, bei der der tatsächliche Vermögensstand jenem gegenüberzustellen ist, der sich bei korrekter Beratung ergeben hätte.

Hypothetisches Verhalten des Anlegers ist auf den Zeitpunkt der Anlageentscheidung (Kauf von Wertpapieren) zu beziehen. Es ist zu fragen, welche Wertpapiere der Anleger bei richtiger Beratung gekauft hätte und wie diese Wertpapiere sich entwickelt hätten.

Hier ging es aber nicht um den Kauf, sondern um den beabsichtigten Verkauf von Wertpapieren. Bei richtiger Anlageberatung hätte der Kläger die Aktien sofort verkauft. Die hypothetische Entwicklung bei Wiederveranlagung ist nicht zu prüfen.

Der OGH sprach dem Kläger den Differenzschaden wegen rechtswidriger Beratung zu (OGH 2.8.2012, 4 Ob 19/12s).

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